18. Mai. 2022 · Neuigkeiten
Britta Maier

Jugend & Zukunft: Drei Fragen an Simon Schnetzer

„Viele machen den Fehler, als erstes an Recruiting zu denken. Viel wichtiger ist es, zu verstehen, wann insbesondere junge Menschen ein Unternehmen verlassen und wie man es schafft, (junge) Mitarbeitende im Unternehmen zu binden.“

- Simon Schnetzer, Jugendforscher

 

Beim ersten Zukunftsgestalter-Tag im Kleinwalsertal mit dem Jugendforscher, Speaker und Futurist Simon Schnetzer stehen die jungen Generationen im Mittelpunkt. Der Tag besteht aus unterschiedlichen Modulen – ein Workshop nur für und mit (jungen) Mitarbeitenden sowie ein Impulsvortag und Innovationssprint gemeinsam mit Unternehmer:innen und Personalverantwortlichen. Gemeinsam möchten wir den Dialog fördern, herausfinden, was (junge) Mitarbeitende im Tal bewegt und in Zukunft besser auf ihre Bedürfnisse eingehen. PriMa hat Simon Schnetzer vorab für ein Interview getroffen und zu seiner neuesten Studie „Jugend in Deutschland“ befragt:

Herr Schnetzer, Sie beobachten seit vielen Jahren, wie die Jugend tickt und was sie bewegt. Ihre aktuellste Trendstudie "Jugend in Deutschland" vom Sommer 2022 trägt den Titel „Jugend im Dauerkrisen-Modus – Klima, Krieg, Corona“. Was sind die größten Veränderungen, die Sie gegenüber der Zeit vor Krieg und Corona sehen?

 

Die Überlagerung von Krisen setzt jungen Menschen psychisch enorm zu, gerade auch weil durch die Pandemie-Situation die Pflege von Freundschaften und Hobbys nur unter erschwerten Bedingungen möglich war. Gesundheit bedeutete für viele einen healthy Lifestyle, Beauty und Fitness. Jetzt ist Gesundheit durch die Pandemie ein allgegenwärtiges Megathema mit Einfluss auf sämtliche Entscheidungen.

Eine andere maßgebliche Veränderung ist der enorme Stellenwert von Geld. Die Jugend hat Angst, sich ein Leben in relativem Wohlstand nicht mehr leisten zu können: der Wohnraum ist zu teuer, das Sparbuch lohnt sich nicht mehr und das Rentensystem ist kaputt. In Kombination mit dem abhandenkommenden Glaube an eine sichere Zukunft, ist es nur konsequent, dass junge Menschen mehr Geld für weniger Arbeit fordern, um Arbeiten und Leben vereinen zu können - auch um die verpasste Jugend der Pandemie-Jahre nachholen zu können.

Die Fluktuationsrate bei jungen Mitarbeitenden ist viel höher als bei Älteren. Welches Potenzial steckt im Hinblick auf die junge Generation in der Mitarbeiterbindung und welche Faktoren werden oft außer Acht gelassen?

 

Beziehungen und Bindung entsteht zwischen Menschen und nicht aufgrund von Verträgen. Insofern tun Arbeitgeber gut daran, Begegnungen zwischen potenziellen Kandidat:innen und dem Team möglichst niederschwellig zu ermöglichen und junge Menschen in der beruflichen Orientierung zu begleiten. Je besser die Erwartungen zur Realität passen, desto geringer die Fluktuation.

Ein anderer oft vernachlässigter Aspekt ist der klare Fokus auf "Spaß bei der Arbeit". Arbeitgeber sollten ihr Team immer wieder fragen, was sie tun können, damit Arbeit mehr Spaß macht und gemeinsam daran arbeiten. Was übrigens auch zu mehr Spaß führt ist die Erfahrung von Selbstwirksamkeit. Wenn beispielsweise ein Kundenfeedback nicht nur an der Rezeption ankommt, sondern durch besondere Gelegenheiten direkt bei den Mitarbeitenden, die dadurch erfahren, welche Wirkung ihre Arbeit entfaltet.

Nicht zuletzt durch die Pandemie hat das Thema Gesundheit auch bei jungen Menschen einen neuen Stellenwert erhalten. Wie sollten Arbeitgeber:innen im Tourismus darauf eingehen?

 

Aktuell leiden ca. 50% der 14- bis 29-Jährigen unter Stress und fast ein Drittel macht Depressionserfahrungen. Es ist aktuell besonders wichtig, junge Menschen zu fragen, wie es Ihnen geht. Es hilft häufig schon, wenn sie merken, dass sie in einer schwierigen Situation sind und das nicht einfach ignoriert wird. Wer helfen möchte, kann jungen Menschen einen Kurs; zum Beispiel über Stressbewältigung, sponsern.

Das Kleinwalsertal ist eine unglaublich kraftvolle und vielfältige Region, die gerade für die gestresste Jugend neben tollen beruflichen Perspektiven auch geniale Ausgleichs- und Weiterbildungsmöglichkeiten bietet. Dieser Schatz ist jetzt mehr Wert denn je.    

Simon Schnetzer

Über Simon Schnetzer:

Der gebürtige Kemptner zählt zu den führenden Jugendforschern Europas und ist Experte für Themen rund um die Generationen Y, Z, Alpha und Generationenmiteinander. Er ist Autor von über 30 Jugendstudien und als Speaker bekannt für seine praxisnahen, interaktiven Vorträge und Workshops.